Anfang März reiste der kurdischstämmige Karlsruher Musiker Ali Baran in die Türkei, um ein neues Album aufzunehmen. Er wurde direkt bei der Einreise festgesetzt und kurz darauf wegen “Terrorpropaganda” zu einer Haftstrafe verurteilt. Mittlerweile ist er zurück in Karlsruhe. Ich habe ihn besucht, um über das Erlebte zu sprechen.
Beim Gespräch mit Ali Baran, der mich zu einem Kaffee bei sich zu Hause eingeladen hat, habe ich deutlich gespürt, wie aufgewühlt er ist, obwohl er nun schon eine ganze Weile wieder in Karlsruhe ist. Er hat mir von allerlei Repressionen durch die türkische Justiz berichtet, die er nicht erst im aktuellen Fall erfahren musste. So habe man ihn auch schon in der Vergangenheit für Fotos von 1. Mai-Demonstrationen auf dem Karlsruher Marktplatz belangt, die er auf Social Media-Kanälen geteilt hatte, weil in der Menge eine Fahne der kurdischen YPG, die die Türkei als Terrororganisation einstuft, zu sehen war.
Wortreich berichtete er vom Hergang der Verhaftung am Istanbuler Flughafen, als er gerade einreisen wollte. Dies habe er zunächst für einen Scherz gehalten. Dann berichtete er über einen Richter, der sich während seiner Verhandlung anderen Dingen zugewandt habe, von Justizmitarbeitern, die ihn unter Druck setzten und von vielen anderen Vorgehensweisen staatlicher Behördenvertreter:innen, welche die zahllosen Berichte über gravierende rechtsstaatliche Mängel in der Türkei bestätigen. Dies alles ist natürlich nichts Neues und ich fühlte mich an vielen Stellen die Erfahrungen erinnert, die ich und meine gesamte Familie immer wieder mit iranischen Behörden machen mussten.
Wie genau es Herrn Baran nun gelang, trotz der geforderten Kaution doch noch aus der Türkei auszureisen, habe ich nicht im Detail nachgefragt. Es war jedoch offenbar mit der Zahlung einer beträchtlichen Geldsumme verbunden. Wichtig ist vor allem, dass Ali Baran wohlauf und zurück in Karlsruhe ist.
Mein besonderes Interesse während des Gesprächs galt der Unterstützung durch das Personal der deutschen Auslandsvertretung vor Ort. Ich hatte mich in der Zeit seiner Festsetzung in der Türkei an das Auswärtige Amt gewandt mit der Bitte nach Möglichkeiten zu suchen, auf die Türkei einzuwirken. Da Herr Baran deutsches Staatsbürger ist, halte ich dies für eine Selbstverständlichkeit. Doch genau hier liegt die Besonderheit im Fall Ali Baran:
Er war bereits Anfang der 80er Jahre in Abwesenheit durch den türkischen Staat ausgebürgert worden. Seit den 90ern besitzt er die deutsche Staatsangehörigkeit. Doch im aktuellen Fall habe die türkische Justiz ihm gegenüber und auch gegenüber des Botschaftspersonals erklärt, dass Herr Baran als Türke betrachtet werde. Barans Schilderung zufolge habe die Staatsanwaltschaft dazu erklärt, dass seine Staatsbürgerschaft nur auf Eis gelegen habe und nun wieder aktiviert worden sei.
Zweifel am Umgang mit türkischen Behörden
Ein solcher Vorgang ist nach meinem Rechtsverständnis inakzeptabel und kann dementsprechend kaum Teil einer bilateralen Absprache zwischen Deutschland und der Türkei sein. Jedoch habe das Botschaftspersonal vor Ort laut Baran mit Verweis auf genau diese Argumentation der türkischen Behörden erklärt, dass man nichts für ihn tun könne. Das habe ihn sehr enttäuscht. Wörtlich sagte er zu mir: “Ich war immer eine guter Bürger, habe immer meine Steuern bezahlt. Trotzdem hat man mich nicht unterstützt. Ich mag dieses Land [Deutschland, Anm. der Redaktion] mehr als ihr; das habe ich zur Botschaft gesagt.”
Auch wenn Ali Baran in der Türkei permanent unter Stress stand, gehe ich davon aus, dass seine Darstellungen korrekt sind. Daher habe ich mir vorgenommen, an dieser Stelle nachzuhaken. Es kann nicht sein, dass Bundesbürger:innen von anderen Staaten zum Zweck der Strafverfolgung kurzerhand und unilateral eingebürgert werden und Deutschland dies durch sein Verhalten faktisch akzeptiert; dies insbesondere, wenn es sich um Staaten mit enormen rechtsstaatlichen Defiziten handelt. Daher werde ich mich erneut an die Bundesregierung wenden. Denn auch wenn Ali Baran vorerst dem Zugriff der türkischen Justiz entkommen ist, betrifft dieses Problem vermutlich zahlreiche weitere Mitbürger:innen. Ich wünsche mir, dass sich die Bundesregierung hierzu klar im Sinne der werteorientierten Außenpolitik positioniert.