Der Deutsche Bundestag hat am 2. Dezember das Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung (Krankenhauspflegeentlastungsgesetz) beschlossen. Die Ampelkoalition legt damit das erste Gesetz vor, in dem sie die ambulante und stationäre Versorgung weitreichend weiterentwickelt. Mit dem Gesetz haben wir vielfältige Versorgungsverbesserungen angestoßen und bereiten den Weg für eine umfassende Krankenhausreform. Unser zuständiger Minister Karl Lauterbach sprach in diesem Rahmen sogar von einer „Revolution des Systems“.

Im Bereich der Digitalisierung legen viele Einzelregelungen die Grundlage dafür, dass wir die Digitalisierung im Gesundheitswesen beschleunigen können: Der Zugriff der gesetzlich Versicherten auf Gesundheitsanwendungen wird vereinfacht. Wir verbessern, zu welchen Konditionen Arztpraxen die notwendigen digitalen Zugänge erwerben können. An diese Regelungen werden wir im kommenden Jahr anknüpfen, wenn wir mit einem eigenen Digitalisierungsgesetz konkrete digitale Anwendungen im Versorgungsalltag der gesetzlich Versicherten ankommen lassen wollen. 

Künftig können sog. Telekonsile – also der digitale Austausch zwischen mehreren Ärztinnen und Ärzten über die Behandlung einer Patientin oder eines Patienten – besser vergütet werden. Dadurch können zum Beispiel Krankenhäuser im ländlichen Raum sehr viel besser auf Expertise von spezialisierten Kolleginnen und Kollegen zugreifen. 

Wir haben bei den Vorständen der Selbstverwaltungsorganisationen der Ärztinnen

und Ärzte sowie der Zahnärztinnen und Zahnärzte – den Kassenärztlichen bzw. Kassenzahnärztlichen Vereinigungen – für eine angemessene Beteiligung von Frauen gesorgt. Für die bessere medizinische Versorgung von Long-COVID-Patientinnen und -Patienten werden Behandlungsrichtlinien bis 31. Dezember 2023 festgeschrieben. 

Wir stabilisieren kurzfristig die Finanzen der sozialen Pflegeversicherung, die insbesondere durch die Pandemie in Schieflage geraten sind. Aufbauend auf dieser Stabilisierungsphase können wir im kommenden Jahr eine Pflegereform durchführen, die für die Pflegebedürftigen Leistungen verbessern wird. Künftig können Krankenhäuser außerdem ihre Personalkosten für Hebammen vollständig von den Krankenkassen refinanzieren lassen.

Von besonderer Bedeutung sind zwei Schwerpunkte des Gesetzes, die im kommenden Jahr in der gesundheitspolitischen Gesetzgebung verstärkt zum Tragen kommen werden: 

Beschäftigte im Gesundheitswesen sollen gezielter unterstützt werden. Und die Krankenhausversorgung wird so reformiert, dass der wirtschaftliche Druck in der medizinischen Versorgung sinkt. 

Dadurch kann die Behandlung mehr nach den medizinischen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten ausgerichtet werden.

1. Einführung einer verbindlichen Pflegepersonalbemessung (PPR 2.0)

Die Regierungskoalition hat sich zum Ziel gesetzt, die Situation der Krankenhauspflege zu verbessern. Die hohe Belastung der Beschäftigten entsteht auch dadurch, dass Krankenhäuser zu wenige Pflegekräfte beschäftigen. Deswegen sollen Krankenhäuser mit einer neuen Pflegepersonalbemessung dazu verpflichtet werden, ausreichend Pflegekräfte einzusetzen. Die Gewerkschaft ver.di, der Pflege-Dachverband Deutscher Pflegerat und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) haben hierfür die sogenannte „Pflegepersonalregelung 2.0“ (PPR 2.0) vorgeschlagen. Durch dieses Gesetz wird die Einführung von PPR 2.0 nun gesetzlich vorgeschrieben: 2023 startet eine freiwillige Pilotphase. Ab 2024 wird die PPR 2.0 verpflichtend. Und ab 2025 gelten Sanktionen für Krankenhäuser, die die Vorgaben der PPR 2.0 nicht erfüllen – mit dem Ziel, neues Personal einzustellen und so die Gesundheitsversorgung im Krankenhaus zu verbessern.

2. Einstieg in die Krankenhausreform

Erklärtes Ziel der Ampel-Koalition ist die Reform der Krankenhausversorgung. Die Vorbereitung dieser Reform ist komplex, muss sorgfältig vorbereitet und mit den ebenfalls betroffenen Ländern abgestimmt werden. Mit den Änderungen des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes im parlamentarischen Verfahren steigen wir in die Krankenhausreform ein, indem wir besonders eilbedürftige Änderungen vornehmen und Zusagen des Koalitionsvertrags realisieren.

Auskömmliche Finanzierung von Kinderheilkunde (Pädiatrie) und Geburtshilfe

Die Krankenhäuser finanzieren die Behandlung von Patientinnen und Patienten über Fallpauschalen. Auch wenn die Behandlung tatsächlich mehr oder weniger gekostet hat, erhalten die Krankenhäuser einen fixen Betrag. Damit besteht für sie ein Anreiz, bevorzugt lukrative Behandlungen durchzuführen. Dies ging in den vergangenen Jahren zu Lasten der Kinderheilkunde (Pädiatrie) und der Geburtshilfe. Krankenhäuser haben Kinderabteilungen abgebaut, weil sie nicht mehr rentabel waren.

Für diese Abteilungen stellen wir deswegen in den Jahren 2023 und 2024 die folgenden Mittel zusätzlich zur Verfügung: Für die Pädiatrie 300 Millionen/Jahr und für die Geburtshilfe 120 Millionen Euro/Jahr. In der Kinderheilkunde ändern wir die Finanzierungslogik sogar so grundlegend, dass Krankenhäuser sich hier nicht mehr im „Hamsterrad“ der Fallzahlsteigerungen bewegen müssen. Ihnen wird ein festes Budget garantiert, das sie auch erhalten, wenn sie weniger Behandlungen durchführen

Krankenhaustagesbehandlung

Wir führen eine neue Behandlungsform ein: die Krankenhaustagesbehandlung. Krankenhäuser können in medizinisch geeigneten Fällen und nach ausdrücklicher Einwilligung der Patientinnen und Patienten auch ohne Übernachtung behandeln. Die Patientinnen und Patienten suchen das Krankenhaus für ihre Behandlung auf und können die Nacht zu Hause verbringen. Das kommt den Patientinnen und Patienten entgegen, weil sie die Nacht in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung verbringen können. Und es kann Pflegekräfte während der Nachtschicht entlasten, weil sie weniger Patientinnen und Patienten auf ihrer Station betreuen müssen. Die Vergütung der Krankenhäuser wird um die nicht angefallenen Übernachtungskosten reduziert, sodass hier potentiell Einsparungen für die gesetzliche Krankenversicherung entstehen.

Hybrid-DRG

In Deutschland werden im internationalen Vergleich sehr viele Operationen ausschließlich im Krankenhaus durchgeführt, obwohl auch spezialisierte niedergelassene Arztpraxen sie erbringen könnten. Deswegen führen wir eine sogenannte „Hybrid-DRG“ ein. Bei der „DRG“ handelt es sich um die Vergütung, die im Krankenhausbereich genutzt wird – die Fallpauschale. Hybrid bezieht sich darauf, dass künftig bestimmte Operationen sowohl von spezialisierten Arztpraxen, die die notwendigen Fachkenntnisse und Apparaturen besitzen, als auch von Krankenhäusern durchgeführt werden können – eben ein Hybrid aus ambulant und stationär. Auch die Einführung der Hybrid-DRG hat das Potenzial, das Pflegepersonal zu entlasten, ohne die Qualität der medizinischen Versorgung für die Patientinnen und Patienten einzuschränken.

Mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz beauftragen wir Krankenkassen, Krankenhäuser und Ärzteschaft, bis zum 31. März 2023 eine entsprechende Behandlungsform einzuführen. Sollte dies nicht gelingen, wird das Bundesministerium für Gesundheit die Hybrid-DRG per Verordnung im Wege der Ersatzvornahme einführen.

Mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz geht die Arbeit an der Reform der Krankenhausversorgung nahtlos weiter. Am Nikolaustag hat die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung Vorschläge für eine grundlegend neue Krankenhausfinanzierung veröffentlicht. Damit beginnt der politische Prozess für die erste fundamentale Veränderung der Krankenhausfinanzierung seit über 20 Jahren. Unsere Ziele dabei sind, den wirtschaftlichen Druck in der medizinischen Versorgung zu senken und die Qualität der medizinischen Behandlung zu erhöhen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen.